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Interview – «Ressourceneffizienz ist Zukunft!»

06.06.2023

Reffnet geht in die dritte Projektphase. In den letzten fünf Jahren haben über 200 Unternehmen eine Beratung in Anspruch genommen, um ihre Ressourceneffizienz zu verbessern. Ein Rück- und Ausblick mit Ursula Frei und Daniel Zürcher von der Sektion Innovation des Bundesamts für Umwelt BAFU.

Ursula Frei und Daniel Zürcher

Reffnet: Das BAFU unterstützt das Beratungsprogramm von Reffnet.ch schon seit dem Beginn 2014, also seit fast 9 Jahren. Was gefällt dem BAFU an Reffnet?

Ursula Frei (UF): Für mich bedeutet Reffnet eine geballte Ladung an Erfahrung und Wissen zum Thema Ressourceneffizienz in einem Netzwerk. Reffnet liefert konkrete Praxis-Beispiele. Forschungsinstitutionen, Unternehmen und NGO machen mit und decken das Thema auf vielen Ebenen ab. Was mich sehr beeindruckt, ist das Engagement der Beteiligten – sie sind mit Herzblut dabei.

Daniel Zürcher (DZ): Wir hatten zu Beginn für die Ausschreibung eine Vision, die das Reffnet-Konsortium sehr gut umgesetzt hat. Reffnet ist ein offenes Gefäss geblieben, dem jedes Beratungsunternehmen beitreten kann und das den Markt nicht verzerrt. Inzwischen ist Reffnet eine nationale Plattform mit über 30 Mitgliedsorganisationen, aber der ursprüngliche Spirit und die grosse Bereitschaft, voneinander zu lernen, sind erhalten geblieben.

In den Beratungen der vergangenen fünf Jahren wurden potenzielle Einsparungen von 400 Mrd. Umweltbelastungspunkte erarbeitet. Tatsächlich haben die Unternehmen aber «nur» 20 Mrd. UBP eingespart. Wie beurteilen Sie die Wirkung?

DZ: Wir mussten lernen, dass die Zahl der realisierten UBP-Einsparungen durch umgesetzte Massnahmen deutlich geringer ist als die prognostizierte. Wichtig für die Umwelt ist die effektiv realisierte UBP-Wirkung – hier gibt es sicher noch Potential. Die Wirkung lässt sich aber durchaus sehen: Pro Jahr beteiligte sich das BAFU mit rund 0,5 Mio. Franken an Reffnet und in dieser Zeit konnten 4 Mrd. UBP effektiv eingespart werden. Geht man davon aus, dass eine Person in der Schweiz jährlich eine Belastung von 25 Mio. UBP verursacht, liessen sich mit 25 Mrd. Franken jährlich alle UBP landesweit kompensieren, das wären 3.1 Prozent des Bruttoinlandproduktes der Schweiz

UF: Es geht aber nicht nur um die effektiven UBP-Einsparungen, sondern auch um die Sensibilisierung der Unternehmen, die nicht quantifizierbar ist.

Ressourceneffizienz gewann im Zuge der Lieferengpässe und der steigenden Rohstoffpreise in den letzten Jahren für Unternehmen an Bedeutung. Stellen Sie eine stärkere Sensibilisierung der Wirtschaft für das Thema fest? Braucht es noch ein kostenloses Angebot wie Reffnet.ch?

UF: Bei der Materialeffizienz fehlt – im Gegensatz zur Energie – der gesetzliche Druck für die Unternehmen. Deshalb wird es auch in Zukunft Programme wie Reffnet zur Sensibilisierung brauchen – auch wenn die umgesetzten Massnahmen zur Ressourceneffizienz eigentlich Kosten senken und damit längerfristig wirtschaftlich sind. Beim BAFU waren wir etwas zu optimistisch, dass Reffnet schneller selbsttragend werden kann. Das Programm umfasst auch übergeordnete Leistungen, die kaum selbsttragend finanzierbar sind, wie die Wirkungserfassung der Massnahmen oder Entwicklungsprojekte.

DZ: Anzustreben wäre in Zukunft, dass die Unternehmen von ihren Kosteneinsparungen, die sie dank guten Beratungen durch die Experten realisieren, etwas an Reffnet zurückgeben. Im B2B-Bereich sind solche Regelungen verbreitet. Dies könnte die Eigenfinanzierung von Reffnet langfristig sicherstellen.

Dieses Jahr geht Reffnet.ch in die dritte Phase. Das BAFU ist wiederum dabei. Was ändert sich im Vergleich zur 2. Phase? Was ist dem BAFU besonders wichtig?

UF: Die Basis des Trägervereins «Reffnet.ch» soll verbreitert werden. Damit meine ich nicht nur die Zahl der Mitglieder, sondern auch neue Zusammenarbeiten und Partnerschaften, z.B. mit Branchenverbänden. Weiter sollen die Beratungen entsprechend ihrer Komplexität differenziert werden – mit «Reffnet light» beispielsweise, einer Sammlung von Standardmassnahmen, die sich auf ähnliche Unternehmen anwenden lässt.

DZ: Ich finde die Abstimmung mit den klimapolitischen Aktivitäten wichtig, schliesslich ist der Materialverbrauch in einem Unternehmen auch klimarelevant. Das Klimagesetz, das am 18. Juni hoffentlich angenommen wird, umfasst auch indirekte Emissionen, die in der Wertschöpfungskette eines Unternehmens entstehen – sogenannte Scope-3-Emissionen. Somit könnten wir über die Klimapolitik auch Massnahmen zur Ressourceneffizienz finanzieren. Ideal ist, dass der Verein «Reffnet.ch» neu auch das Programm PEIK, die Energieberatung für KMU von EnergieSchweiz, verantwortet. Langfristig sollten die Beratungen zu Ressourcen- und Energieeffizienz zusammenwachsen.

UF: Ich sehe PEIK als eine grossartige Möglichkeit für Reffnet, interdisziplinäre Beratendenteams aufzubauen. Wenn die Beratenden sich darauf einlassen und im Team arbeiten, können riesige Synergien genutzt werden.

Wo sehen Sie noch Optimierungspotenzial bei Reffnet?

DZ: Grosses Potenzial sehe ich darin, dass sich über das Netzwerk und die Beratungen Cleantech-Innovationen und -Lösungen schneller bei sämtlichen Unternehmen der Schweizer Wirtschaft verbreiten könnten. Momentan fehlt dieser systematische Informationsfluss noch. Firmen, die Innovationen entwickeln und anbieten, könnten in Reffnet.ch integriert werden. Sie wären eine interessante Mitgliedergruppe für das Netzwerk. Von mir aus sollte Reffnet.ch auch noch deutlich in der Anzahl Mitglieder wachsen.

UF: Dabei kann sich das BAFU auch einbringen, z. B. mit Expertentagungen, an denen solche Innovationen vorgestellt werden. Die Expertinnen und Experten sollten vermehrt einbezogen werden und Reffnet soll für sie DAS Informationsnetzwerk werden.

In welchen Branchen sehen Sie noch Aufholbedarf?

DZ: Die Schweiz ist immer noch ein Maschinenbauland – hier scheint mir viel Potenzial vorhanden zu sein. Wenn eine Maschine dank des besseren Designs Bauteile und Produkte effizienter und mit weniger Materialaufwand herstellen kann, bringt das enorm viel. Beratungen in diesen Unternehmen – über 10 000 sind es im ganzen Land – sind aber meist aufwändig und bedingen grosses Fachwissen.

UF: Ich sehe Bedarf in der Baubranche, hier sind in den letzten Jahren viele Initiativen zum Thema Kreislaufwirtschaft entstanden. Die Bautätigkeit verursacht viele Abfälle, wir haben kaum noch Platz für Deponien. Der Druck ist gross und die Branche ist sehr sichtbar.

Das Thema der Kreislaufwirtschaft ist aktuell in aller Munde. Sehe Sie darin einen Hype oder einen langfristigen Trend? Wo sind die Grenzen?

DZ: Gemäss dem «Circularity Gap Report» ist die Schweiz erst zu 6,9 Prozent kreislauffähig – das ist sehr wenig. Auch 2050, wenn wir Nettonull bei den Treibhausgasemissionen erreicht haben müssten, werden es gemäss Studie erst knapp 30 Prozent sein. Warum ist Kreislaufwirtschaft so schwierig? Das ist mir oft ein Rätsel. Noch ist es z. B. günstiger für die Zinkrückgewinnung unsere Flugasche erst ins Ruhrgebiet zu transportieren und danach das Zink in Spanien zu raffinieren, anstatt alles in einer Schweizer Anlage zu erledigen. Aber auf jeden Fall ist Kreislaufwirtschaft für mich kein Hype, sondern ein Jahrtausendtrend wie auch der Klimaschutz.

Was kann die öffentliche Hand zu mehr Ressourceneffizienz beitragen? Stichwort Beschaffung und Regulierung.

DZ: Der Bund, die Kantone und die Gemeinden müssen eine Vorbildrolle einnehmen. Sie sind für Reffnet interessante Partner:innen, weil es keine Betriebsgeheimnisse zu schützen gibt und offen über die besten Massnahmen und ihre Kosten und Wirkung kommuniziert werden kann. Ich finde es sehr gut, dass Reffnet künftig auch die öffentliche Hand beraten kann.

Was möchten Sie den Unternehmen mitgeben?

DZ: Ich erhoffe mir ein langfristiges Vertrauensverhältnis zwischen den Expertinnen und Experten und den beratenen Unternehmen. Wir sind alle in einem Lernprozess, die Herausforderungen sind riesig – daher erachte ich es als zentral, offen Probleme anzusprechen und Erfahrungen zu teilen, um wirklich nachhaltig zu kooperieren.

UF: Erstens, Ressourceneffizienz lohnt sich wirtschaftlich und führt zu einer geringeren Rohstoffabhängigkeit. Zweitens ist das Thema schlicht und einfach unumgänglich – aber auch sehr spannend! Ressourceneffizienz ist die Zukunft!